Über den Seminarbrief
Der Seminarbrief wird von den Studierenden des Priesterseminars für dessen Freunde und Förderer geschrieben. Er richtet sich aber ebenso an Interessierte, die auf diese Weise das Seminar kennen lernen wollen. Unser Ziel ist es, in ihm das Studium und das gemeinsame Leben als Teile der Priesterbildung anschaulich und mitlebbar zu machen. Er erscheint zwei Mal jährlich.
Bitte wenden Sie sich an info@priesterseminar-stuttgart.de oder 0711-166830 falls Sie ihn per Post erhalten wollen.
Seminarbrief Advent 2021
Liebe Leserinnen und Leser des Seminarbriefs,
‘panta rhei’ oder ‘Alles strömt’, oder frei übersetzt ‘Leben ist Bewegung’, lehrt uns: Wir brauchen Bewegung zum Leben und das, was uns dadurch begegnet. In der Natur will das Leben sich noch einmal mit allen möglichen Bewegungen ausdrücken, bevor es stirbt: Im Herbst empfinden wir dieses im Rauschen des Windes, wenn das Laub sich färbt, wenn die Früchte fallen – darin begegnen wir der Melancholie und der Schönheit.
Nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich gibt es viel Bewegung im Seminar, weil das Gebäude täglich von 33 Seminaristinnen und Seminaristen durchströmt wird, einschließlich der jungen Menschen im neuen Berufsorientierungsjahr, sowie dem neuen 3. Jahr und drei Gästen des nordamerikanischen Seminars. Daher vermischt sich in der Küche Deutsch mit Russisch, Spanisch, Portugiesisch, Französisch, Englisch, Niederländisch und einem Hauch von Japanisch und Litauisch beim Duft von brasilianischem Kuchen und berührenden argentinischen Gitarrenklängen.
Eine weitere Bewegung finden wir in der Initiativkraft, die von der inneren zur äußeren Welt fließt und durch die wir den Anderen begegnen können. So haben wir unseren neuen Hausmeister Marco Wink schon ein bisschen kennengelernt, weil er eine wunderbare Initiative in die Hand genommen hat und damit dem Sprachengemisch noch einen alten deutschen Dialekt hinzufügt: Unter seiner Regie werden wir zu Weihnachten das Oberuferer Christgeburtsspiel aufführen. Auch die Initiative des Foodsharings, die seit zwei Jahren im Seminar lebt und für die sich schon viele Menschen engagiert haben, wird von ihm zur Freude der Seminaristen mit Liebe und Begeisterung weitergeführt.
Die Begegnung miteinander wird durch die unterschiedlichen Qualitäten, die verschiedenen Temperamente und die farblichen Schattierungen der Charaktere wirklich ein Geschenk, das sich nicht immer einfach, jedoch immer interessant gestaltet. Dadurch üben wir uns, in unserer Seminarzeit eine echte Gemeinschaft zu werden, denn panta rhei heißt ja auch: Alles fließt zusammen, alles ist eins, sogar die Gegensätze.
In diesem Sinne brauchen wir tatsächlich den Gegensatz zur Bewegung: Ruhe und Stille, und die Fähigkeit zuhause zu sein. Aber was heißt das, zuhause zu sein? Unser liebes Gebäude möchte uns so gerne Geborgenheit schenken, es ist ein Freund mit vielen Geschichten, das uns einlädt, uns zuhause zu fühlen, wie es Francisco Göbel Azevedo so schön in seinem wunderbaren Bild ausgedrückt hat, das Sie auf der Titelseite finden. Doch, kann ich mich auch unabhängig von äußeren Wänden zuhause fühlen, wozu uns die Stimmung des warmen Bildes von Friedrich Spitta auf der Rückseite einlädt? Kann ich im stillen Innenraum leben, mich in einer Frage beheimaten, oder gibt es noch andere Möglichkeiten, mich zuhause zu fühlen?
Wir möchten Sie in diesem Seminarbrief zu einer Begegnung mit dem Seminarleben einladen.
Viel Freude beim Lesen!
Seminarbrief Johanni 2021
Zum Zeitpunkt dieses Schreibens ist es Mitte April. Letzte Woche waren die ersten Tulpen und Ranunkeln noch von einer schweren Schneeschicht bedeckt, als das zweite Semester dieses Studienjahres begonnen hat. Die Studenten aus dem ersten und zweiten Jahr sind nach sieben Wochen wieder vom Urlaub zurückgekehrt. Eine Zeit zum Lernen, Ausruhen, um das Familienleben zu pflegen, aber auch eine Zeit, um in das tagtägliche Leben einzusteigen und mit der Realität von heute konfrontiert zu werden. Diese Konfrontation verstärkt die Dankbarkeit, dass wir in dieser Zeit hier am Seminar zusammen wachsen, leben und beten können. Andererseits weckt es in uns auch ein Verantwortungsgefühl, dieses Geschenk zu behüten, zu gestalten und zu leben, aus einem Bewusstsein heraus, das sich weit über das Seminar hinaus erstreckt.
Neben den Studierenden aus dem ersten und zweiten Jahr sind auch die Studierenden des Berufsorientierungssemesters angekommen. Ein ganz neuer frischer Wind weht durch das Haus seit ihrer Ankunft. Ist das Durchschnittsalter der Studierenden einerseits stark gesunken, so ist andererseits die Zahl der Studierenden um ein Drittel gestiegen. Beim Frühstück und Mittagessen hört man die Gesprächsfreude im Speisesaal bereits oben im Flur, und bei einem eifrigen Versteckspiel haben Dozenten und Schüler das Seminargebäude bis in die letzten unbekannten Winkel kennengelernt. Das ist nun auch notwendig, da unser treuer Hausmeister, Thomas Mahl, nach Schweden ausgewandert ist. Glücklicherweise wird der neue Hausmeister, Marco Wink, wenn Sie dies lesen, hier ins Seminar einziehen, um diesen besonderen Ort weiter zu pflegen und zu tragen.
Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen dieses Seminarbriefes.
Im Namen der Redaktion,
Eline van den Muijsenberg
Seminarbrief Johanni 2020

Begegnung - Erwache, o Mensch!
Liebe Freunde des Seminars,
es ist doch eine sehr spannende Zeit in der wir uns befinden. Michael ruft: „Wache auf, o Mensch! Richte dich auf zur Ritterschaft der Wahrheit!“
Im Moment sind wir umgeben von den beleuchteten Schattenseiten des modernen Menschen. Angst und Verzweiflung drängen die Seelen in Vereinsamung und Trennung. Wir erleben die Sehnsucht nach menschlicher Begegnung - und gleichzeitig machen sich Menschen auf die Suche nach dem eigentlichen Impuls ihres Lebens.
Man darf sich in dieser Zeit in aller Ruhe die Frage stellen: Wer will ich von jetzt an sein? Was sind meine Ideale, welche ich für nötig erfahre? Wie kann ich mich in unsere Gesellschaft einbringen?
So erleben wir hier am Priesterseminar auch das große Potential dieses Augenblicks. Es ist uns der Raum gegeben, dass soziale Prozesse und spirituelles Suchen neu ergriffen werden können. In der Ruhe des leeren, offenen Raumes können wir zu uns kommen - der Raum ist geöffnet, der Morgenruf Michaels kann gehört werden: „Wache auf, o Mensch!“
„Es ist an der Zeit!” Auch das sind die Worte, die vielmals in den vergangenen Wochen hier am Seminar erklungen sind. Denn als Sommertrimester-Projekt dürfen wir nun in Goethes Märchen eintauchen, in die tiefen Offenbarungen der Bilder dieses Märchens. Die Worte: „Es ist an der Zeit!” wurden für uns ein Slogan des gegenwärtigen Zeitgeschehens; auf der Suche nach wahrer Ritterschaft, die uns führen wird auf Michaels Pfad.
Das Fundament dieser Ritterschaft entsteht aus unseren individuellen Entscheidungen. Michael verleiht uns hier den Mut, uns zur Verfügung zu stellen, uns in wahre Ritterschaft zu begeben, die Heilsames für die Menschheit entstehen lässt.
Die Kunde vom Kommen des Neuen braucht Menschen, die für dieses Morgenrot erwachen wollen. Möge Michael uns in dieser Zeit helfen, Geistesgegenwart zu üben und uns freudig und mit Begeisterung an die Arbeit machen, denn es gibt viel zu tun.
Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen und hoffen, dass Sie eine Ahnung bekommen können, was derzeit so intensiv hier am Seminar lebt.
Im Namen der Redaktion,
Sunniva Stachow und Isabel Chotsourian
Was im Inneren erstrahlet an Lichteskraft
Was im Äußeren reizet zur Tat
Mag auf der Suche nach wahrer Ritterschaft
Dich einst führen zu Michaels Pfad.